Falsch-negative Lippenbiopsie?

In diesem Forum können medizinische Fragen gestellt werden, welche durch den Sjoegrenspezialisten Herr Prof. Dr. Stephan Gadola beantwortet werden. ACHTUNG: Bitte nehmt hier keinen Bezug zu allfälligen Praxisbesuchen bei Herrn Dr. Gadola.
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Gilwen
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Falsch-negative Lippenbiopsie?

Beitrag von Gilwen »

Sehr geehrter Herr Gadola,

zunächst einmal herzlichen Dank für die Möglichkeit, hier in diesem Forum Fragen an Sie als Spezialisten zu stellen. Gerne wende ich mich ebenfalls an Sie.

Ich bin 32, weiblich und habe seit etwa 1,5 Jahren verstärkt gesundheitliche Probleme:

- Fatigue, Abgeschlagenheit
- an einzelnen Tagen Gelenkschmerzen gleichzeig in LWS, Hüfte, Knie und teilweise sogar Fussgelenke, in Ruhe und bei/nach Bewegung
- seit ca. einem Jahr plötzlich aufgetretene Neuropathie im rechten Arm, Kribbeln und an einzelnen Tagen leichter Tremor in den Händen, Diagnose Epicondylitis beideitig mit Reproduktion der Kribbelparästhesien am Daumen
- seit ca. einem Jahr stark trockene und brenennde Augen, Diagnose Kontaktlinsenunverträglichkeit und Meibom-Drüsen-Dysfunktion, Schirmer-Test nicht eindeutig mit 8mm/6 Min.
- seit ca. 1,5 Jahren plötzlich auftretender trockener Mund, rauhe Zahnoberflächen. Meine Zunge scheuert sich zum Teil wund an den trockenen Zähnen, musste einen Retainer entfernen lassen
- Inappetenz, Nausea, Gewichtsverlust (aktuell 52 kg/168 cm)
- enorale, ulzerierende Läsionen, teils weisser Belag auf der Zunge/Mandeln
- oft plötzliche Palpitationen, erhöhter Puls, Hitzewallungen und Schweissausbrüche, häufig Nachtschweiss
- rezidivierende Barosinusitis und Rhinosinusitis mit partieller Ethmoidektomie im Jahr 2017
- alle paar Monate, aktuell alle paar Wochen rezivierende Episoden mit grippeähnlicher Symptomatik, Schmerzen und subjektive wahrgenommene Schwellung im Bereich unter den Ohren. Während so einer Episode haut es mich völlig um und ich brauche immer länger, bis ich wieder arbeitsfähig werde (aktuelle 2 Wochen Krankschreibung)

In den USA habe ich einen Gentest machen lassen, der ein 2,5x höheres Risiko für Rheumatoide Arthritis, SLE, Sjögren und Primäre Biliäre Cholangitis angab.

Bisherige Ergebnisse:

- Ausschluss von Spondylarthritis
- HLBA27 negativ
- CRP unauffällig (in einzelnen Messungen leicht erhöht, 15.4), keine RF, ANA und Anti-SS-A/B (alle <0.2)
- in jeder Blutuntersuchung bisher erhöhtes Albumin ohne Befund
- Lippenbiopsie Grad 1 Infiltration

Ich habe nun gelesen, dass insbesondere bei Rauchern (zu denen ich leider gehöre) die Lippenbiopsie falsch negativ sein kann (Manthorpe 2000). Daher meine Frage: Ist es möglich, eine Ultraschalluntersuchung der Ohrspeicheldrüsen als letzte Möglichkeit durchzuführen? Ich weiss wirklich nicht mehr weiter. Von der Ärzten werde ich jetzt auf die psychosomatische Schiene gedrängt (Therapie und Antidepressiva, was ich auch annehmen werde) und ich verstehe die Schwierigkeit, dass man ohne klare Befunde auch keine Diagnose stellen kann. Es geht einfach nur komplett gegen mein Bauchgefühl - ich fühle mich körperlich furchtbar und kann mir einfach nicht alle Symptome durch psychosomatische Gründe erklären. Ich bin Anfang 30 und fühle mich wie 80.
Ich freue mich wirklich sehr über Ihre Antwort.

Herzliche Grüsse
Gilwen

Edit: Mögliche relevante Laborwerte:

- C3c vermindert (0.83 g/l)
- Albumin im Blut erhöht (52 g/l) - das war bei allen vergangenen Blutentnahmen immer erhöht
- Lymphozyten erniedrigt (23.90%)
- Eiweiss erhöht (88 g/l) - dort wird aktuelle noch eine Elektropharese nachgeordert
- Eosinophile Leukozyten vermindert (0.9 % bzw. absoluter Wert 0.06)
- Kreatinin im Urin vermindert (2.5 mmol/l)
Stephan Gadola
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Re: Falsch-negative Lippenbiopsie?

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Gilwen,
Danke für Ihren ausführlichen Bericht.
Zunächst zu Ihrer Frage bzgl. Speicheldrüsen Sonographie: Diese ist durch einen erfahrenen HNO Arzt oder Rheumatologen einfach auszuführen (geht 5-10min), ist nicht-invasiv, und hat bei komplett unauffälligem Befund einen hohen Aussagewert (bzgl. Ausschluss der Diagnose eines primären Sjögren Syndroms).
Ihr Beschwerdebild ist komplex, kommt aber nicht selten in dieser Konstellation vor (und ist meist nicht durch eine Autoimmun Krankheit bedingt).
Ihre Zahn- und Nasennebenhöhlensymptome können sehr wohl auch durch das Rauchen mitbedingt sein. Rauchen verringert (massiv) die sog. mucoziliäre clearance, also die Selbstreinigung der Schleimhäute im Hals-Nasen-Ohren Bereich (und auch Lunge) und begünstigt auch Zahnfleisch- und Zahnprobleme.
Für die Dysfunktion der Meibom Drüsen gibt es Temperatur-gesteuerte Reinigungshilfen (z.B. iLUX) welche durch den Augenarzt angewandt werden können um blockierte Drüsen zu reinigen.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben behilflich zu sein

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allschwil
Gilwen
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Re: Falsch-negative Lippenbiopsie?

Beitrag von Gilwen »

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gadola,

zunächst einmal von Herzen vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich nehmen. Dies ist wirklich nicht selbstverständlich und ich schätze es sehr.
Ich habe heute diesbezüglich einen Termin bei meiner HNO und werde sie um eine Sonographie bitten, falls dies möglich ist.
Wenn Sie schreiben, dass mein Beschwerdebild häugifer auftritt und meist nicht durch eine Autoimmun-Krankheit bedingt ist: Haben Sie etwas im Sinn, was eventuell noch nicht abgeklärt worden sein könnte? Oder sind Sie ebenfalls der Meinung, dass alle Symptome psychosomatisch erklärt werden können?
Ich gebe Ihnen recht, dass das Rauchen natürlich in dieser Situation das nicht gerade klug ist und ich werde mein Bestes versuchen aufzuhören.

Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Stellungnahme und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Freundliche Grüsse
Gilwen
Stephan Gadola
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Re: Falsch-negative Lippenbiopsie?

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Gilwen
Über nicht-autoimmune Ursache(n) ihrer Beschwerden kann ich aus der Ferne (mit Ausnahme des Faktors Rauchen) nichts sagen.

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allschwil

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