Noch eine Frage

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Schlumpfine
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Noch eine Frage

Beitrag von Schlumpfine »

Sehr geehrter Herr Gadola,
mein Rheumatologe hat mich völlig verwirrt. Er sagte, ohne Antikörper sei das Sjögren primär und mit Antikörpern immer sekundär (also auch bei SSA /SSB).
Das stimmt doch nicht?
Ich habe bislang keine Antikörper, aber klassische Siccabefunde und typische Veränderungen im Ultraschall der Speicheldrüsen.
Danke und viele Grüße,
Schlumpfine
Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Schlumpfine,
Wer hat die Ultraschall-Untersuchung durchgeführt?
Typische beidseitige Ultraschallbefunde für Sjögren sind meiner Erfahrung nach immer mit positiven Sjögren Antikörpern (anti-SSA/Ro und anti-SSB/La) assoziiert.
Vieleicht hat Ihr Rheumatologe gemeint, dass die ANA bei primärem Sjögren auch mal negativ sein können - die Anti-SSA/Ro +/-Anti-SSB/La sind jedoch positiv.

Freundliche Grüsse
Stephan Gadola
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
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Schlumpfine
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Schlumpfine »

Sehr geehrter Herr Gadola,
ein erfahrener HNOler hat die Untersuchung durchgeführt und gesagt, ich solle die Laboruntersuchung wiederholen, da auch er Antikörper erwartet. Die letzte Testung war 1,5 Jahre nach Beginn der Beschwerden, damals war die Speicheldrüse aber noch etwas weniger typisch verändert, die Augen aber schon schwer angegriffen. Es wurden ANAs und nochmal gesondert SSA und SSB bestimmt, damals negativ. Ich wiederhole die Untersuchung nochmal. Kann Kortison die Antikörper zum Verschwinden bringen?
Ich glaube, der Rheumatologe glaubt wirklich, positive Antikörper bedeutet immer sekundäres Sjögren. Ich bin selbst Ärztin und wundere mich über gar nichts mehr bei ärztlichen Kollegen.
Viele Grüße,
Schlumpfine
Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Stephan Gadola »

Nein - Kortison bringt diese Antikörper nicht zum verschwinden.

Freundliche Grüsse
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Schlumpfine
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Schlumpfine »

Sehr geehrter Herr Gadola,
die Antikörper und alle anderen Werte des Rheumaworkups sind weiterhin negativ. Mein HNOler rät trotzdem zu einem Quensylversuch, mein Rheumatologe ist dagegen.
Nebenbefundlich ist vielleicht noch erwähnenswert, dass ich seit vielen Jahren eine Hashimotoerkrankung ohne Antikörper habe, was wohl ja auch eher selten ist.
Was würden Sie mir raten?
Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Stephan Gadola »

Quensyl hat in kontrollierten Studien bei Sjögren Syndrom nichts gebracht
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
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Schlumpfine
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Schlumpfine »

Sehr geehrter Herr Gadola,
wie sehen Sie dann die Diagnose seronegatives Sjögren Syndrom? In Studien gibt es ja immer einen gewissen Anteil von Patienten mit primärem Sjögren Syndrom, aber ohne Antikörper.
Meine behandelnden Ärzte sehen das sehr kritisch.
Viele Grüße,
Schlumpfine
Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Schlumpfine,
Sowohl bei primärem wie auch sekundärem Sjögren Syndrom sind Auto-Antikörper vorhanden, mit der vieleicht einzigen Ausnahme eines sekundären Sjögren Syndroms bei seronegativer Rheumatoider Arthritis. In diesen Fällen sind die Speicheldrüsen zumindest sonographisch nicht verändert.
Bei fehlenden Auto-Antikörpern spricht man daher von einem Sicca Syndrom, welches häufig ist und bezgl. Trockenheitssymptomen (Mund, Augen) gleich schwer verlaufen kann wie ein primäres Sjögren Syndrom. Beim Sicca Syndrom bei jüngeren Patienten (<70) sind die Speicheldrüsen sonographisch nicht verändert, bei älteren Patienten kann sich ein fibrotischer Umbau finden.
Die Ursachen für die Fehlfunktion der grossen Speicheldrüsen - sowohl bei Sjögren Syndrom wie auch bei nicht-autoimmunem Sicca Syndrom - sind nicht wirklich bekannt.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben etwas mehr Klarheit verschafft zu haben

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Schlumpfine
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Schlumpfine »

Sehr geehrter Herr Professor Gadola,
ist es ungewöhnlich, dass nach 2-2,5 Jahren Erkrankung und im Ultraschall veränderten Speicheldrüsen immer noch keine Antikörper nachweisbar sind?
Und wie kommen die Patienten ohne Antikörper in den Studien zustande, z. B. in der Studie über die Subgruppen des Sjögren Syndroms waren es z. T. ja viele seronegative Fälle?
Wie gesagt, die Kliniker, die ich kenne halten seronegative Fälle alle für unplausibel.
Was mich bei mir selbst weiterhin irritiert, dass ja auch meine Hypothyreose ohne Autoantikörper seit über einem Jahrzehnt besteht, was ja auch wirklich selten vorkommt.
Herzlichen Dank für Ihre Mühe und herzliche Grüße,
Schlumpfine
Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Schlumpfine,
Ja, das ist in der Tat sehr ungewöhnlich und lässt stark an der Diagnose einer autoimmunen Hypothyreose und einer primären Sjögren Syndrom Erkrankung zweifeln.

Freundliche Grüsse
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Schlumpfine »

Sehr geehrter Herr Gadola,
könnten Sie doch kurz darauf eingehen, wie die seronegativen Fälle in den Studien zustande kommen?
Ich hatte das als Sicca plus auffällige Lippenbiopsie verstanden. Aber ohne Antikörper wäre das kein primäres Sjögren?
Vielen Dank für Ihre Mühen!
Herzliche Grüße,
Schlumpfine
Stephan Gadola
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Re: Noch eine Frage

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Schlumpfine,

Leider ist die Lippenbiopsie nicht beweisend für ein primäres Sjögren Syndrom, wird aber immer wieder so interpretiert.

Lymphozytäre Entzündung in Lippenbiopsaten ist ein häufiger Befund, was angesichts der hohen Exposition der Lippenschleimhaut - sowohl mechanisch wie auch mikrobiell nicht wirklich überrascht.

Eine lymphozytäre Entzündung wird laut Studien in ca. 16% der Lippenbiopsate bei allen getesteten Personen (wovon der viel grössere Anteil keine Autoimmunerkrankung hat) gesehen, und in 8% liegt sogar eine höhergradige (Grad III-IV) Entzündung vor.

Ein Sicca Syndrom ohne Autoimmunität ist ebenfalls häufig. Eine schwere Augentrockenheit mit Keratokonjunktivits tritt laut einigen Studien in bis zu 14% der Bevölkerung auf.

Ein "echtes" primäres Sjögren Syndrom liegt bei ca. 0.25%.

Die "seronegativen" Fälle in Studien lassen sich zu einem grossen Teil dadurch erklären.

Freundliche Grüsse
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
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